Der Psychotherapeut
Nicht nur psychische Erkrankungen sind stigmatisiert, sondern auch die Psychotherapie und wir als Psychotherapeuten.
In Filmen oder Serien kommen wir selten oder eigentlich nie gut weg. Und auch in einer spontanen Befragung auf der Straße würde sicherlich das ein oder andere nicht ganz schmeichelhafte Kommentar fallen. Als Götter in weiß werden wir sicher nicht bezeichnet, so viel ist schon mal klar. Wir sind in der Regel kränker als alle anderen Personen zusammen und permanent grenzübergreifend. Wir haben Psychologie nur studiert, um uns selbst zu therapieren, in unserer Freizeit können wir nichts als ständig unsere Umgebung zu analysieren und unsere fachliche Expertise besteht hauptsächlich aus professionellem Händchenhalten.
Klischees über Psychologen und Therapeuten sind allgegenwärtig. Natürlich würde ich mich über mehr Prestige meines Berufs freuen, natürlich würden wir gerne in der Rangordnung der Gesundheitsexperten etwas nach oben wandern. Aber selten erlebe ich es, dass sich jemand persönlich davon angegriffen fühlt. Mitunter spiele ich gerne mit gängigen Vorurteilen, mache häufig Psychotherapeutenwitze und habe ich mir auch ganz bewusst eine kuschelige Strickjacke zugelegt, die in Kombination mit Brille und Dutt an manchen Tagen eine echte Therapeutin aus mir machen.
Problematisch ist es, wie so oft, wenn es nicht mehr witzig ist, denn allzu oft werden die Klischees für bare Münze gehalten. Genau solche Vorurteile können dazu führen, dass die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen aufrechterhalten wird (vice versa), Patienten mit negativen Erwartungen zu uns kommen oder eben gar nicht erst zu uns kommen.
Psychotherapeuten sind ganz normale Menschen (Überraschung!), es gibt uns in allen Körperformen und (fast) allen Altersklassen. Wir teilen sicherlich alle ein besonderes Interesse am Menschen, was uns zur Ergreifung dieses Berufs geführt hat, jedoch hat jeder eine eigene Geschichte. Die meisten waren relativ (naja sehr) gut in der Schule, da man oftmals einen hohen NC braucht um zum Psychologiestudium zugelassen zu werden (über Sinn und Unsinn dieser Praxis lässt sich streiten). Wir haben alle eine lange und intensive Ausbildung hinter uns, in dem wir theoretisches und praktisches Wissen sowie Behandlungstechniken erworben haben. In der wir uns aber auch mit uns selbst auseinandergesetzt haben, mit unserer Rolle als Psychotherapeut, mit unseren Stärken und Schwächen. Für die Ausübung des Berufes (und auch für das Ausüben des Berufes) existieren strenge Regeln. Es gibt meiner Meinung nach viele sehr gute Psychotherapeuten. Und es gibt schwarze Schafe. Wie überall.
Auch wir wissen nicht alles, auch wir können manchmal vor Aufregung nicht schlafen oder haben Liebeskummer. Wir sind nicht gefeilt vor Schicksalschlägen und natürlich erkranken auch Psychotherapeuten irgendwann in ihrem Leben an psychischen Erkrankungen. Aufgrund ihres Hintergrundes sind Psychotherapeuten diesbezüglich einerseits sehr reflektiert und sensibel für eigene Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen. Daher ist es häufig möglich, schnell etwas zu verändern oder Hilfe zu suchen. Andererseits kann es gerade als Psychotherapeut sehr schwer sein, Hilfe in Anspruch zu nehmen, gerade weil man nicht einem gängigen Stereotype entsprechen will. Doch das darf nicht sein.
Wir müssen es möglich machen, dass jeder adäquate Hilfe bekommt, wenn er welche braucht. Ohne Angst. Ohne Scham. Ohne Stigma.
Was Psychotherapeuten oft sind: empathisch, fleißig
Was Psychotherapeuten in der Regel nicht sind: krank, Idioten, nutzlos, komisch, verrückt